Jeder Gärtner kennt sie und jeder Gärtner ärgert sich über sie. Stacheln und Dornen. Zumindest dann, wenn sie sich in die Haut bohren oder das Gesicht zerkratzen. Was für uns an Folter beim Garteln grenzt, ist für andere Gartenbewohner eine Bereicherung.
Ich muss hier mal kurz alle enttäuschen: Dornröschen ist eine Lüge. Ja, das Leben ist eine einzige Lüge, denn Rosen haben in Wahrheit Stacheln und keine Dornen.
Man kann Dornen von Stacheln mit dem freien Auge unterscheiden:
Am einfachsten erkennt man Stacheln daran, dass man die Abgrenzung zwischen Gehölz und dem Stachel erkennen kann. Außerdem lassen sie sich relativ einfach von der Rinde abstreifen.
Stacheln sind ein Vorsprung der Sprossachse oder des Blattes. Sie sind ein vielzelliger Auswuchs von Organen, wie Epidermis oder Rindengewebe (Emergenz).
Dornen sind umgebildete Sprossachsen, Blätter oder Wurzeln. Sie sind mit Leitbahnen durchzogen, die die Pflanze mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Da sie aus unterschiedlichen Organen gebildet werden, wir hier unterschieden in:
Warum hat sich diese elende Bewährung im Pflanzenreich überhaupt durchgesetzt? Dafür gibt es zwei gute Gründe:
Fressfeinde machen unseren heimischen Pflanzen schon zu schaffen, überleben den Verbiss meistens aber. Wenn man aber bedenkt, dass Pflanzen an trockenen Standorten von Haus aus wenig Wasser und Nährstoffe zur Verfügung haben, bedeutet ein Verbiss meistens ihren Tod.
Aus diesem Grund haben sich Pflanzen an trockenen Standorten angepasst und zur Abwehr Dornen entwickelt. (Kakteen, Wolfsmilch, oder die heimischen Disteln).
Die gebogenen Stacheln hingegen geben den Pflanzen Halt und eignen sich daher gut für Kletterübungen (Brombeere, Kletterrose). Durch ihre gebogene Form können sie sich gut in ihrer Umgebung verhaken und verhindern allzu leichtes Abrutschen. Ganz zum Leidwesen der Gärtnerskleidung.
Im Pflanzenreich gibt es aber noch eine dritte Verwendung von stachelähnlichen Gebilden, nämlich die Widerhaken auf Samen. Sie dienen der Euepizoochorie, also der Verbreitung durch Tiere. Mit den Widerhaken verfangen sie sich im Fell vorbeistreifender Tiere und werden so in die Welt hinausgetragen; oder von einem verärgerten Hundebesitzer mühevoll herausgezupft.
Die fiesen Dinger bieten aber nicht nur für ihre Träger Vorteile, sondern stehen auch bei einer besonderen Vogelart hoch im Kurs: Dem Neuntöter. Er verwendet Stacheln und Dornen als seine ganz persönliche Speisekammer und spießt auf ihnen die gesammelten Insekten auf. Wenn einmal schlechtere Tage anstehen, greift er auf seine angelegten Vorräte zurück.
Aber auch der Mensch kann sie für sich zu Nutze machen. Zum Beispiel lässt sich aus Weißdorn eine undurchdringliche Hecke anlegen, bei der garantiert kein (schmerzloses) Durchkommen möglich ist.
Sollte sich mal ein Dorn oder Stachel unter die Haut eingraben, sollte man möglichst schnell reagieren, um eine Entzündung zu verhindern. Steht ein großer, also mit den Fingern greifbarer, Teil aus der Haut heraus, kann man ihn einfach rausziehen. Ansonsten kann man sich mit einer Pinzette behelfen.
Aus meiner Erfahrung sind eindeutig Dornen die größeren Übeltäter. Das Schmerzhafteste, das mir je passiert ist im Bezug auf Gartenarbeit ist eine Auseinandersetzung mit einem Weißdorn:
Beim Befüllen meiner Totholzhecke biege ich die Äste um die Stützpfosten, um mehr Stabilität in die Konstruktion zu bekommen. Und als ich eines Tages wieder mal die Äste in meine Hecke einwebte, bemerte ich nicht, dass sich unter das Totholz auch ein frischer Weißdornast geschummelt hat.
Nichtsahnend schnalzte der Ast aus der Totholzhecke hervor und rammte sich 2cm tief in meinen Oberarm. Ein durchdringender höllischer Schmerz, der sich von meinen Fingerspitzen bis rauf in meine Schulter erstreckte. Zwei Tage konnte ich meinen Arm nicht belasten und eine Woche später hatte ich noch immer starke Schmerzen an der Einstichstelle.
Aber den Dornen sei die Krone um die nervigsten Pflanzenaccessoires vergönnt. Egal ob an Brombeerstrauch oder Rosen: an den kühleren Tagen verhaken sie sich in Kleidung und reißen mühelos Jacken auf, während sie sich im Sommer mit unserer bloßen Haut zufrieden geben.